News · Tagungsbericht

Tagungsnachlese: European Phycological Congress in London

Mehr als 400 Wissenschaftler aus allen Himmelsrichtungen trafen sich im August in London, um sich über die neuesten Themen und Trends in der Algenforschung auszutauschen. In den 16 Symposien wurden alle Fachrichtungen der Phykologie behandelt, von Systematik, über Physiologie und Molekularbiologie bis hin zu ökologischen Fragestellungen. Die Schriftführerin der Sektion Inka Bartsch blickt in ihrer Tagungsnachlese nicht nur auf einen gelungenen Kongress zurück, sondern schildert, welche Themen erstmals vertreten waren und welche noch intensiver Forschung bedürfen.

Eine Tagungsnachlese von Inka Bartsch, Bremerhaven

Vom 23. – 28. August fand in London der 6. Europäische Algenkongress statt, der rundherum ein voller Erfolg war. Trotz der nicht unerheblichen Kongressgebühren und der Tatsache, dass ein Aufenthalt in London nicht als Schnäppchen angesehen werden kann, gab es über 400 Teilnehmende aus 40 Ländern. Mehr als 1/3 waren Studierende. Auch aus dem außereuropäischen Ausland waren viele Kollegen angereist, sowohl aus dem Westen (USA, Kanada), dem Osten (z.B. Australien, Japan, oder Russland) als auch dem Süden (z.B. Israel, S-Afrika), so dass ein hoher Grad an Internationalität erreicht wurde.

Die lokalen Organisatoren des Kongresses, Elliot Shubert und Eileen Cox, trafen mit dem Tagungsort Novotel London in Hammersmith im Westen der Stadt eine gute Wahl. Der Ablauf des Kongresses war sanft und störungsfrei – eine logistische Meisterleistung, sowohl der lokalen Organisatoren als auch der Hotelcrew – so dass sich alle Teilnehmer ganz auf die Wissenschaft und das Netzwerken konzentrieren konnten. Hauptverantwortlich für das hervorragende wissenschaftliche Programm und seine Zusammenstellung waren Olivier de Clerk aus Gent und unser Sektionsmitglied Peter Kroth aus Konstanz, die zusammen mit den Convenern des Symposiums ein überaus interessantes Programm erstellt hatten. Insgesamt gab es 16 Symposien über Mikro- und Makroalgen, die folgende Bereiche umfassten:

  1. Algal diversity and species delimitation: new tools, new insights
  2. Shedding light on photosynthesis and its role in global biogeochemistry
  3. Algal lipids not just for burning
  4. Algae-microbiome interactions: integrative overview from biology to chemistry
  5. Phylogenomics: new approaches to solving old problems in algal evolution
  6. Symbodinium as model organism
  7. Molecular Cell Biology
  8. Algal Biodiversity and ecosystem function: new scenarios in coastal systems
  9. Algae in stressful environments in coastal systems
  10. Global change and algal assemblages: the fate of our seas
  11. Genetic engineering in algae: novel molecular tools and novel model species
  12. Ecology, physiology and taxonomy of freshwater phytoplankton
  13. Omics and genetic resources towards algal domestication
  14. The fate of our marine forests in a changing ocean
  15. Algae and signalling – regulation of processes from cell to globe
  16. ‘Phycomorph’: morphogenesis and development of macroalgae

Trends in der Phykologie

Die ständige Weiterentwicklung und Verbilligung molekularer Untersuchungsmethoden hat zu einer Flut neuer Untersuchungsaspekte geführt, wohingegen rein ökologische Untersuchungen selten geworden sind. Ein neuer Themenschwerpunkt dieses Kongresses war die erstmalig ausführliche Darstellung diverser Algenmikrobiome im Süß- und Meerwasser und ihrer Diversität, auch wenn deren Funktion sicherlich erst im nächsten Jahrzehnt verstanden werden wird. Ferner wurde deutlich, dass wir immer mehr die multifunktionalen Beziehungen von Algen oder Algengemeinschaften und deren Beeinflussung durch biotische und abiotische Faktoren verstehen, die schon auf kleinsträumigen Skalen wirken. Einfache Erklärungen oder Vorhersagen von Veränderungen werden dadurch immer schwieriger, besonders in Bezug zu Global Change.

Hervorzuheben ist, dass für jedes Symposium zwei bis drei ‚Keynote‘ Sprecher eingeladen waren, die in halbstündigen Vorträgen einen breiten und modernen Überblick über das jeweilige Thema gaben. Diese Vorträge wurden in vielen Fällen nicht von ‚alten Hasen‘, sondern meist von frisch gebackenen Postdocs oder Jungwissenschaftlern gehalten. Dieses Konzept erfrischte und sollte auf alle Fälle beigehalten werden. Die ‚Plenary Talks‘ am Morgen umfassten ebenfalls ein breites wissenschaftliches Spektrum und gaben einen breiten Einblick in die neuesten Entwicklungen der Endosymbiotentheorie (J. Archibald, USA), der chemischen Kommunikation in Planktongemeinschaften (E. van Donk, Holland), der circadianen Uhr in Chlamydomonas (M. Mittag, Deutschland) und der genetischen Diversität von Braunalgen entlang latitudinaler Gradienten samt der möglichen genetischen Verarmung auf Grund des Klimawandels (E. Serrao, Portugal). Zusätzlich zu den 232 Vorträgen, die jeweils in drei parallelen Sitzungen organisiert waren, gab es vier Postersitzungen mit jeweils mehr als 200 Postern. Ferner fand eine gesonderte Sitzung statt, in der sich Studenten um den Irène Manton-Preis bewerben konnten, der jährlich auf den Sektionstagungen der British Phycological Society (BPS) vergeben wird. Eine weitere Sitzung wurde allein von Doktoranden (Anique Stecher, Deutschland und Chris Williamson, UK) für Doktoranden organisiert. Dort ging es bei vier eingeladenen Vortragenden um Karriereplanung, Einwerbung von Drittmitteln, moderne statistische Auswertemethoden und angewandter Phykologie. In den regelmäßigen 30-60 minütigen Pausen wurden wir reichhaltig und gut verwöhnt mit Getränken und einem delikaten Mittagstisch. England hat wieder einmal gezeigt, dass die Zeiten des schlechten Essens der Vergangenheit angehören.

Viele Kongressteilnehmende nutzen die freie Zeit am Mittwoch, um vorbereitete Exkursionen nach Stonehenge, Salisbury oder hinter die Kulissen des Natural History Museums zu besuchen, die trotz des ausgiebigen Regens ein Erfolg wurden. Am Donnerstagabend wurde dann auf dem traditionellen Banquett gefeiert und neue oder alte Kontakte vertieft. Nach einem köstlichen Abendessen wurden alle Preisträger geehrt. Hervorzuheben ist, dass etliche Studierende eine Kongressunterstützung durch die BPS erhalten hatten, so auch einige Doktoranden unserer Sektion. Die formalen Ehrungen gingen direkt über in einen lebendigen Discoabend mit guter Life-Musik, wo die Beine einfach mitmussten. Nach dem Antanzen durch Elliot und Jane war die Tanzfläche schnell gefüllt und alle hatten ihren Spaß. Am Freitagnachmittag endete der Kongress mit einer gekonnten Zusammenfassung durch Mat Dring, der voll des Lobes für die Organisatoren war. Alle weiter Interessierten können die Abstracts des Kongresses in einem Sonderheft des European Phycological Journals nachlesen, das großzügig von Taylor und Francis unterstützt wurde.

Bremerhaven, 7. September 2015

zum Programm auf der Tagungs-Website (pdf)

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