Fotos | Ansprechpartner | Informationen über die Sektion Phykologie
Ihren deutschen Namen verdanken Chara und die Pflanzenfamilie der Characeen ihrem kandelaberartigen Aussehen: Besonders vor Weihnachten mag man dazu verleitet werden, nach Kerzenschmuck auf den in Quirlen stehenden Ästen zu suchen. Im englischen Sprachraum hat sich dagegen die Bezeichnung stonewort (dt.: Steinkraut) etabliert wegen der dicken Kalkkrusten, die sich in hartem Wasser auf den Algen bilden können.
Die heimischen der weltweit etwa 300 vorkommenden Chara-Arten leben meist im Süßwasser, wie in kalkreichen und nährstoffarmen Seen, einige behaupten sich auch im Brackwasser bei Salzgehalten zwischen Süßwasser und Meer. Viele Chara-Arten sind Pioniere, die oft als erste neu entstandene Kleingewässer besiedeln. Anderen Arten der Gattung fällt das oft schwerer. „Auch wenn eine Renaturierungsmaßnahme augenscheinlich geglückt ist, heißt das noch lange nicht, dass sich Chara erfolgreich wieder ansiedelt - selbst wenn bekannt ist, dass sie vorher dort lebte“, sagt die auf Armleuchteralgen spezialisierte Ökologin Dr. Irmgard Blindow von der Biologischen Station Hiddensee der Universität Greifswald.
Systemprägender Schlüsselorganismus
„Aber wenn sie wieder auftauchen, haben manche Armleuchteralgen, wie beispielsweise die Hornblättrige Armleuchteralge, Chara tomentosa, das Zeug, das ganze System zu dominieren“, erklärt die Algenforscherin. Diese Armleuchteralgen überwuchern den Gewässerboden wie eine dichte Wiese. In diesen Algenmatten wachsen Jungfische schnell heran. Vielen Vögeln dienen die Algen oder die in ihnen lebenden Kleintiere als Nahrung. Chara bietet vielen Jungtieren Schutz vor Übergriffen und Lauerjägern wie dem Hecht Verstecke. Biologen bezeichnen sie daher als Schlüsselorganismus des Ökosystems.
Vögel tragen dazu bei, dass Armleuchteralgen neue Gewässer erobern können. Chara und andere Armleuchteralgen bilden extrem robuste Sporen, denen weder Austrocknen noch Einfrieren etwas anhaben können. Diese lange überlebenden - Oosporen genannten - Dauerformen überstehen auch die Passage durch einen Gänse- oder Entendarm, sodass sie von den Vögeln in andere Gewässer getragen werden.
Diese mit einer Kalkhülle umgebenen Sporen helfen den Algenforschern auch, die Evolution der Armleuchteralgen zu entschlüsseln, da sie im Gegensatz zu den weichen Algenkörpern gut überdauern. Die Entwicklung ihrer Vorfahren lässt sich mehr als 400 Millionen Jahre bis in das Devon zurückverfolgen. Armleuchteralgen werden von einigen Botanikern als die engsten Verwandten der heutigen Landpflanzen angesehen. Doch immer mehr molekularbiologisch arbeitende Algenforscher finden Hinweise, dass das revidiert werden muss. „Auch wenn es keinen 100prozentigen Beweis geben wird, gehen wir davon aus, dass Grünalgen, wie die Schmuckalgen, die engsten Verwandten aller heutigen Landpflanzen sind und nicht Chara“, ergänzt Burkhard Becker, Schriftführer der wissenschaftlichen Sektion, in der die Algenforscher organisiert sind.
Struppige Armleuchteralge wieder entdeckt
Da immer mehr Gewässer mit Nährstoffen angereichert werden, sind die meisten Chara-Arten in der Roten Liste der gefährdeten Lebewesen aufgeführt. Die Empfindlichkeit der Armleuchteralgen gegenüber Nährstoffen nutzen Biologen auch, um auf die Wasserqualität zu schließen. „Wo Armleuchteralgen vorkommen, ist die Welt noch in Ordnung“, sagt Chara-Expertin Blindow. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich mancherorts die Wasserqualität durch den Bau von Kläranlagen verbessert, sodass sich die Chara-Bestände erholen. Die Struppige Armleuchteralge (Chara horrida), die nach 1980 in Deutschland als ausgestorben galt, hat Blindow gemeinsam mit ihren Kollegen nun wieder vor der Ostseeinsel Hiddensee im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft aufgespürt.